Jeden Tag ein Biss(chen) besser. – Schluckstörung

Sintje kommt gerne zu uns in die Praxis und meist geht es dann direkt in die Kinderküche, in der kleine Bäckerinnen und Bäcker alles finden, was sie brauchen. Heute werden wir zusammen Kekse backen. Stangenförmige Kekse, die leicht zerfallen. Sintje hat eine nasale Magensonde und wir wollen das Schlucken üben.

Es dauert nicht lange und schon duftet es lecker. Neugierig linst Sintje durch die Ofenscheibe. Sie denkt gar nicht darüber nach, worum es in dieser Stunde eigentlich geht … Wie selbstverständlich probiert sie ihr eigenes Werk und zeigt keinen Widerstand beim Essen. Sie nimmt einen Keks, beißt hinein, spuckt nichts aus, erbricht nicht. So weit, so gut. Ein Schluckvorgang ist jedoch nicht erkennbar. Aber wo ist der Keks hin? Nach einem kurzen Blick wird klar: Sintje bunkert die Nahrung unter der Zunge und in den hinteren Backentaschen. Sintje und ihre Familie haben einen langen Weg hinter sich. Seit ihrer Geburt wird Sintje über eine Magensonde ernährt. In Absprache mit ihren Ärzten bereiten wir sie auf den nächsten Schritt vor: die Entwöhnung von der Sonde. Zwei Jahre lang haben wir zweimal wöchentlich und regelmäßig bei Intensiv-Therapien daran gearbeitet, dass Sintje das Schlucken lernt.

Zunächst ging es darum, den Druck von den Esssituationen zu nehmen. Mit klarer und spielerischer Anleitung schaffte Sintje es schließlich: Jetzt isst sie, ganz allein. Nun wird es noch ein langes Jahr ohne Zwischenfälle dauern, bis die Sonde endlich entfernt werden kann. Wir begleiten Sintje auf ihrem Weg, helfen ihr und nehmen ihren Eltern die Angst davor, dass ihre Tochter ohne die Sonde nicht klarkommen wird. Denn das wird sie – jeden Tag ein bisschen besser.

„Unsere Tochter liebt das Training beim TTB.“

Bei unserer inzwischen siebenjährigen Tochter wurde mit 14 Monaten die Diagnose Muskeldystrophie gestellt. Bislang gibt es keine Heilung und keine Medikamente für diese fortschreitende Erkrankung. Damit unsere Tochter so mobil wie möglich bleibt, ist regelmäßige Physiotherapie das Allerwichtigste.

Kurz nach der Diagnose bekamen wir den Kontakt zum Therapeutenteam in Blankenese. Trotz der weiten Anfahrt kommen wir regelmäßig. Während der Kitazeit kam sogar ein Physiotherapeut zu Ava in die Kita, um ihre Übungen in den Alltag einzubinden.

Frau Milius und ihr Team haben jahrelange Erfahrung mit unterschiedlichen, oft seltenen Diagnosen bei Kindern, sodass wir uns hier von Anfang an sehr gut beraten und betreut gefühlt haben. Hier fließen Kompetenz und Herz zusammen! Unsere Tochter liebt das Training beim TTB und die vielen Möglichkeiten sich zu bewegen.

Die Physio-Einheiten sind nicht nur Spaß und Training für unsere Tochter, sondern auch für uns Eltern wichtig. Wir bekommen Tipps für das Turnen Zuhause und erfahren von ergänzender Therapien, die uns neuen Möglichkeiten eröffnen könnten. Besonders ist auch das offene Raumkonzept in der Praxis: Beim TTB ist die Therapie nicht auf einen bestimmten Raum begrenzt, sondern beginnt schon im Wartezimmer.

Für meine Tochter und uns ist es wertvoll zu erfahren, dass Behinderung normal ist, und dass es Menschen gibt, die diesen Gedanken mit Herzblut zu ihrem Beruf gemacht haben.

„12 Jahre Unterstützung vom TTB.“

Ben ist jetzt 13 Jahre alt. Er wurde in der 32. Schwangerschaftswoche geboren und hatte eine spastische Überstreckung. Mit sechs Monaten kam er in unsere Familie. Wir setzten die Physiotherapie, die er bereits seit der Entlassung aus dem Krankenhaus bekam, fort und erweiterten sie durch Frühförderung.

Als er zehn Monate war, sagte die behandelnde Physiotherapeutin mir, dass Ben Schwierigkeiten haben werde, Stehen und Gehen zu lernen. Das war für mich offensichtlich – denn dass ein stocksteifes Kind seine Einschränkungen nach ein paar Monaten nicht einfach ablegen würde, lag auf der Hand, fand ich. Ich fragte beim nächsten Termin nach, was sie genau meinte: Verdacht auf ICP, war die Antwort. Das sagte mir nichts, aber ich wurde ans hiesige Sozialpädiatrische Zentrum verwiesen.

Bevor wir den Termin dort hatten, nahm ich zufällig Kontakt mit einer ehemaligen Bekannten auf – Marion Milius … und das war unsere Rettung. Sie bot uns sofort an, zu ihr zu kommen und dann „spamte sie mich mit Infos zu“, um es flapsig zu sagen. Seitdem weiß ich, dass Ben eine Tetraparese hat, die seine gesamte Motorik, besonders die der Beine, beeinträchtigt. Es folgten herausragende Hilfsmittelberatungen und regelmäßig Intensivtherapie-Wochen, die sich kaum beschreiben lassen. Schon die Praxiseinrichtung ist so liebevoll und kindgerecht, wie ich es sonst nirgends in Deutschland sah. Egal bei welcher Therapeutin, welchem Therapeuten, Ben behandelt wurde – es war immer (!) herausragend gut. Ben machte Fortschritte und wir bekamen Tipps für den Alltag. Wenn Ben heute das Aufstehen übt, heißt es immer noch „Charlotte“, weil sie es war, die uns beibrachte, wie ihm das Aufstehen mit eigener Beinkraft gelingt. Auch die 91 freien Schritte im Flur mit Lina sind unvergessen.
Die Hilfsmittelversorgung ist dank der Kontakte, die über das Therapeutenteam Blankenese geknüpft wurden, super hilfreich. Ben hat zusammen mit dem TTB so viel erreicht: Er bewältigt den Schulweg selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Seinen Rollstuhl beherrscht er so selbstverständlich, wie andere Menschen ihre Beine. Zweimal in der Woche geht er zum Rollstuhlsport. Mit den Orthesen macht er freiwillig Gehtraining auf dem Laufband und schafft 1000 Schritte am Stück. Seine orthopädischen Schuhe sind praktisch, schick und alltagstauglich. Mit seinem Therapiedreirad radelt er mit seinem Freund zum Eiscafé im benachbarten Stadtteil. In der Schule ist er auf dem – sehr steinigen – Weg zur Unabhängigkeit. Trotz eingeschränkter Hand- und Armmotorik wendet er das 10-Finger-Schreiben an und schlägt mich darin locker – in Geschwindigkeit und Fehlerfreiheit.

Dies alles wäre ohne die Unterstützung vom Therapeutenteam Blankenese nicht möglich gewesen. Ich habe eine Ärztin im SPZ gefragt, was passiert wäre, wenn Ben wegen fehlender oder falscher Behandlung nie gehen gelernt hätte – darauf meinte sie, dass man dann wohl gesagt hätte, mehr sei eben nicht möglich gewesen. Keiner hätte kritisch hinterfragt, ob er bei einer intensiveren und besseren Förderung mehr Kompetenzen hätte erwerben können. Beim Therapeutenteam ist das anders – hier wird ganzheitlich und umfassend geschaut, um mit allen Mitteln so viel Kompetenzerwerb und damit Selbständigkeit, Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit wie irgend möglich zu erreichen.

Therapie mit Wumms. Und Sinn. – Vestibuläre und propriozeptive Unterempfindlichkeit

Björn, 5, lässt es gerne krachen. Er tobt, rennt, hüpft, kraxelt und brüllt für sein Leben gern. Ruhig zu bleiben fällt ihm schwer. In unserer SI-Therapie lernt Björn sich zu konzentrieren. Und sich zu spüren.

Bei motorisch ruhigen, eher kognitiven Aufgaben flitzt Björn zwischendurch wie von der Tarantel gestochen die Rutsche hinauf, rennt wieder hinunter, springt im letzten Moment ab und landet mit einem lauten Knall auf dem Boden – manchmal gekonnt auf den Füßen, aber oft schießt er auch übers Ziel hinaus und stürzt. Das Schwierige an der Situation: Selbst wenn er sich verletzt, tut er sich aufgrund seiner Unterempfindlichkeit selten weh. Darum schulen wir mit speziellen Übungen die Wahrnehmung der Reize.
Für eine Weile eine Position zu halten, ist für Björn kaum möglich. Schnell sagt er dann: „Mir ist langweilig“ oder: „Ich bin müde“. Das ist Björns Art, seine Anstrengung zu verbalisieren. Wenn ihm etwas nicht sofort gelingt, behauptet er, er könne es eben nicht. Dann klettert er lieber nochmal die Sprossenwand hinauf und springt …

Wahrscheinlich wird Björn später mal Stuntman oder Extremsportler. Er hat keine Angst vor Höhe oder Geschwindigkeit und seine Bewegungen wirken harmonisch – wäre alles nur nicht mit so viel Getöse verbunden. Björns Gehirn verarbeitet Informationen anders als andere Gehirne. Man spricht von Über- und Unterempfindlichkeiten für die bestimmten Wahrnehmungsbereiche. Bei Björn handelt es sich um eine propriozeptive und vestibuläre Unterempfindlichkeit. Er braucht sehr deutliche und starke sensorische Informationen, um seinen Körper und dessen Grenzen zu spüren.
Erst wenn die Schaukel schon senkrecht steht, meldet das Gehirn, dass er das Gleichgewicht verlieren könnte. Und dann ist es eben manchmal schon zu spät. Das Gehirn erkennt die Notwendigkeit nicht und sendet keine entsprechenden Befehle an die Muskeln. Die Reaktion zum Gegensteuern bleibt aus. Es muss erst scheppern, bevor Björn merkt, dass da schon die Wand war. Gepaart mit seiner propriozeptiven Unterempfindlichkeit sorgt dies dafür, dass er sich nicht einmal weh tut. Daher kann er die Konsequenzen eines für uns „riskanten“ Verhaltens im Vorweg nicht abschätzen. Unser Ziel ist es, Björn sensibler für Gefahren zu machen und ihm zu helfen, seine Kräfte besser zu dosieren. Kinder wie er haben es im sozialen Umfeld meist nicht leicht, weil sie manchmal andere Kinder anrempeln und irgendwie alles „zu doll“ machen, ohne es zu merken. Zudem müssen sie immer in Bewegung sein. Sind diese Bewegungen zu langsam oder zu wenig, verliert der Körper die benötigte Muskelspannung, das Gehirn fährt herunter. Man kann sich ausmalen, wie schwer es in der Schule wird, wenn Björn 45 Minuten still sitzen soll. Das ist momentan eigentlich undenkbar. Er wird dann wahrscheinlich ständig den Unterricht stören und für ein Verhalten gerügt werden, für das er eigentlich gar nichts kann. Denn sein Körper schreit geradezu nach sensorischen Informationen, die er braucht, um seine Körperspannung aufrecht zu halten und um sich zu spüren.

In der Therapie braucht Björn eine enge Führung. Nur so kann er sich den Herausforderungen stellen, die ihm schwer fallen: zum Beispiel rückwärts balancieren (weil man da nicht rennen kann), voltigieren auf einer hängenden Rolle, Schubkarre laufen oder Seilspringen. Diese Übungen verschaffen Erfolgserlebnisse und steigern die Frustrationstoleranz. Björn bekommt dadurch ein besseres Gefühl für seinen Körper. Dazu gehört zum Beispiel auch, unter einem Haufen großer Sitzsäcke begraben zu werden oder zwischen zwei großen Matten wie die Wurst in einem Hotdog zu verschwinden. Diese Momente genießt Björn sehr. Endlich spürt er seinen Körper. Und dessen Grenzen.

Mit dem Dreirad zum Muskeltraining. – Spinale Muskelatrophie (SMA)

Die dreijährige Yasemin ist ein starkes Kind. Wir kennen sie schon fast ihr ganzes Leben lang. Zwei bis drei Mal in der Woche kommt sie in unsere Praxis und jedes Mal beeindruckt sie uns mit ihrem Willen und ihrer Kraft. Yasemin leidet an einer schweren Muskelerkrankung: Spinale Muskelatrophie (SMA Typ1). Ihr fehlt ein wichtiges Gen im Erbgut, darum kann ihr Körper die so genannten SMA1-Proteine nicht bilden. In der Folge sterben motorische Nervenzellen ab und die Muskulatur verkümmert (Muskelschwund).

Bis vor ein paar Jahren war die Lebenserwartung für Kinder wie Yasemin sehr gering. Aber Yasemin bekommt seit ihrem vierten Lebensmonat ein Medikament, durch das die Nervenzellen erhalten bleiben und die Muskulatur sich entwickeln kann. Yasemin ist ein aufmerksames Kind. Mit großen Augen bewundert sie die neue Weihnachtsdeko, als sie mit ihrem Rollstuhl in die Praxis gefahren wird. Sie zeigt und spricht, freut sich und löchert ihre Mutter mit Fragen. Yasemin will alles wissen. Da sich die Muskelschwäche auch im Gesichtsbereich bemerkbar macht, klingt ihre Sprache noch verwaschen. Ihre Mutter versteht jedoch genau, was Yasemin meint.

Yasemin hat einen niedrigen Muskeltonus, sie verliert leicht das Gleichgewicht. Zum Sitzen benötigt sie ein Korsett. Außerdem sind ein Absauggerät, Fußorthesen und ein Rollstuhl Yasemins stetige Begleiter. Zu Hause hat sie noch einen Stehständer, einen Therapiesitz, ein Hustenhilfe-System, ein Sauerstoffgerät und Lagerungshilfen. Auf dem Flur entdeckt Yasemin das Therapiedreirad und bekommt leuchtende Augen. Wir heben sie aus dem Rolli und setzten sie in das Dreirad. Yasemin kann sich nicht wie andere Dreijährige bewegen. Bewegungsübergänge vom Boden in den Stand oder vom Rolli auf den Fußboden zum Beispiel kann sie alleine nicht bewältigen. Trotzdem weiß sie genau, wann sie welche Muskulatur einsetzen muss. Sie versteht die Koordination der Bewegungsübergänge und der Bewegungen. Insgesamt ist ihre geistige Entwicklung in vielen Bereichen der eines dreijährigen Kindes voraus. Ihr Können zeigt sie nun auch beim Dreiradfahren. Yasemin hat zwar wenig Kraft, so dass wir etwas anschieben müssen, aber sie kann alternierend treten, dabei lenken und klingeln. Mit gutem Raumgefühl macht sie sich auf die Reise durch den langen Flur. Ihr Ziel: der Trainingsraum. Andere Patienten und Therapeuten grüßen fröhlich. Viele kennen Yasemin schon lange und freuen sich über jeden Fortschritt. „Go, Yasemin, go!“

Am Ziel angekommen, trainiert Yasemin dann auf der Vibrationsplatte. Heute stehen die Kräftigung von Rumpfmuskulatur, Stützmuskulatur, Hüft- und Beinmuskulatur sowie Kopfkontrolle auf dem Programm. Die Mutter hilft und lässt sich für die Übungen zu Hause anleiten. Manchmal fotografiert und filmt sie als Erinnerungsstütze für die „Hausaufgaben“. Nach dem Intervalltraining auf der Vibrationsplatte fährt Yasemin fährt mit dem Dreirad zur nächsten Aufgabe in einen anderen Raum. Hier rutscht sie auf einem Sitzsack die schräge Ebene hinunter. Dabei sind Gleichgewichtssinn und die Haltungskontrolle gefordert. Am Ende der Einheit ist Yasemin rot vor Anstrengung und müde, aber glücklich.

THERAPEUTENTEAM BLANKENESE